Jessica Jones (Krysten Ritter) ist nicht gerade das, was man sich allgemein unter einer Superheldin vorstellt. Sie trägt kein enges, kurzes Kostümchen, sie lächelt nicht, sie führt kein Vorzeige-Leben in einer hübsch dekorierten Wohnung. Sie führt schon mal Telefongespräche und recherchiert, während sie mit herunter gelassener Hose auf dem Klo sitzt, und dann geht auch noch das Toilettenpapier aus.

Die Antiheldin

Sie trägt Kampfstiefel und Lederjacke, sie ist fast immer genervt, sie trinkt zu viel, lebt in einem herunter gekommenen Appartement, es ist schwer, sie zu mögen. Ihre beiden engsten sozialen Kontakte sind ihre Stiefschwester Trish (Rachael Taylor) und der Junkie, der auf derselben Etage wohnt. Sie ist ungefällig und es ist ihr herzlich egal, was andere von ihr halten. Sie hat schon genug eigene Probleme.

Jessica ist Privatdetektivin. Die menschlichen Abgründe und das, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt, sind ihr Geschäft. Das New York, in dem Jessica Jones ihre einsamen Runden dreht, hat wenig Romantisches oder gar Glamouröses. Es steht stellvertretend für die Anonymität der Großstadt, in der gescheiterte Existenzen Tür an Tür mit häuslicher Gewalt, Betrug und lieblosen Beziehungen wohnen. Es ist kein schönes Bild, das die Serie zeichnet und Jessica hat gelernt, sich rauszuhalten. Sich nicht zu kümmern.

Jessica Jones

Bild © Netflix

Vier Serien im Marvel-Universum darf Netflix produzieren, nur eine davon wird von einer weiblichen Hauptfigur getragen. Nachdem uns schon das MCU wegen einem Superheldinnen-Film am ausgestreckten Arm verhungern lässt, ist das sehr schade. Aber, und das muss man ganz klar sagen, mit Jessica Jones bekommen wir eine Antiheldin und ein Universum, die gerade die weiblichen Zuschauer da packen und abholen, wo es sie am meisten trifft.

Männer nur als Nebenrolle

Die Welt, in der Jessica lebt, wird gefühlt von sehr wenig  netten und sehr vielen potentiell gefährlichen Männern bevölkert. Alle Hauptfiguren sind Frauen, Männer sind entweder zum Angucken da oder aber Gegenspieler … was im ersten Moment merkwürdig erscheint, zeigt auf den zweiten Blick, dass wir dieses Verhältnis so nicht gewohnt sind. Frauen sind diejenigen, die in Genre-Filmen und –Serien entweder als Love Interest dienen oder aber die böse Verführerin spielen. Der Held, mit dem wir Mitleiden, ist der Mann. Und jetzt kommt da diese Serie daher, die so offensichtlich auch ganz ohne Männer funktionieren würde. Das ist ungewohnt.