Also, ich liebe ja Captain America. Moment, da muss ich genauer werden: Ich liebe Steve Rogers als Captain America. Okay, ich liebe auch Sam Wilson und Bucky Barnes als Cap. Nur Steve am allermeisten. Glaubt mir, das hat mich völlig unerwartet getroffen. Schließlich ist es als Mitteleuropäer mit ambivalenter Haltung zu den Vereinigten Staaten von Amerika nicht gerade naheliegend, den patriotischsten aller Superhelden zu lieben. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum Cap hierzulande ein bisschen unterbewertet wird. Klar, er hat die Filme im Kino, aber die kommen ja aus Amerika. Außerdem war der Name des Superhelden anscheinend so ein Problem, dass aus Captain America plötzlich The First Avenger wurde. Und überhaupt bekommt man als Fan von Cap ziemlich häufig zu hören, dass der ja „total langweilig“ sei und man mit so einem amerikanischen Helden ja nichts anfangen könne. (Dass Joss Whedon in den Avengers-Filmen ebenfalls nichts mit ihm anzufangen weiß, hat sicherlich nicht geholfen.) Leute, ihr tut ihm unrecht! Fürchterlich, schrecklich unrecht!

Ein Held für alle

Als erstes müssen wir mal klarstellen, dass Captain America, trotz des Namens, schon lange nicht mehr bedingungslos als Maskottchen der USA dient. Was übrigens etwas ist, das der erste Film so wunderbar hinbekommt. Steve Rogers‘ Kostüm sind zwar eindeutig die Symbole der amerikanischen Flagge, aber sie stehen für die Ideale, auf denen die USA gegründet wurden und die doch sehr universell sind: Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit. Diese Ideale versucht er zu verteidigen, und zwar nicht nur auf amerikanischem Boden und ganz sicher nicht nur für die Amerikaner. Tatsächlich geht kaum eine Comicreihe so hart mit der amerikanischen Politik und dem aktuellen Weltgeschehen ins Gericht wie Captain America.

Captain America

Bild © Marvel

In der Reihe Captain America: The New Deal aus dem Jahre 2002 hat Cap zum Beispiel mit den Nachwehen der Anschläge auf das World Trade Center zu kämpfen und versucht, das Geschehene zu verarbeiten. Ja, das Comicbuch ist offensichtlich als Trost für die traumatisierten Amerikaner aus jener Zeit geschrieben, doch es bittet um Verhältnismäßigkeit, versucht zu vermitteln und deutlich zu machen, dass die muslimische Welt nicht der Feind ist. An einer Stelle gesteht Steve Rogers sogar ein, dass auch bei den Bombenangriffen auf Dresden im zweiten Weltkrieg tausende Zivilisten bei einem ähnlichen Massaker ums Leben gekommen sind. Es ist kein perfektes Comicbuch, aber es zeigt sehr deutlich, dass Steve nicht auf der Seite eines bestimmten Landes steht, sondern auf der Seite der Menschen.

Kein Patriot um jeden Preis

Captain America bemüht sich stets um eine differenzierte Sicht der Welt, darum, Denkanstöße zu geben. Das klappt mal mehr und mal weniger, aber Steve ist weitaus weniger patriotisch, als man gemeinhin annimmt. Tatsächlich hat er bereits einmal der amerikanischen Regierung den Rücken zugekehrt und sein Schild niedergelegt, weil seine Ideale mit dem Kurs der Regierung unvereinbar waren. Steve ist ein Mann mit Prinzipien, einer, der an das Gute glaubt und den Menschen gerne eine Chance gibt. Er ist der universelle Pfadfinder, einer, der weitermacht, egal, wieviel Schreckliches ihm zustößt. Und ist das nicht, wozu Superhelden erschaffen wurden? Um zu inspirieren?

Captain America

Bild © Marvel

Wie politisch und hochaktuell Captain America ist, beweist die vor kurzem angelaufene Reihe: Captain America: Steve Rogers. Steves Erzfeind Red Skull ist zurück und für seine Gruppe Hydra auf Mitgliederfang. Dabei benutzt er eine Rhetorik, die derzeit auch von anderen politischen Führern gerne genutzt wird und allgegenwärtig ist. Unter anderem beschuldigt er Flüchtlinge, Bomben ins Land zu bringen und nichts als Schmarotzer zu sein. Kommt uns irgendwie bekannt vor, oder? Mithilfe eines kosmischen Würfels schafft Red Skull es, die Vergangenheit minimal abzuändern, was dazu führt, dass Steves Mutter der Organisation in jungen Jahren beitritt und Steve in ihrem Schatten aufwächst – und ihre Doktrinen verinnerlicht hat.