Entschuldigt, wir müssen über Daredevil reden.

Wenn es eins gibt, auf dass ich als Comic-Leserin ja nie zu hoffen gewagt hatte, dann, dass Daredevil jemals wieder eine Adaption fürs Kino oder Fernsehen erleben würde.

Dabei ist Matthew „Matty“ Murdock eigentlich eine wahnsinnig spannende und auch zwiespältige Figur, mit grandiosen Erzfeinden und noch cooleren Verbündeten. Die Freundschaft zwischen Matty und Foggy ist mit Sicherheit eines der schönsten Dinge im Marvel-Universum, und überhaupt liebe ich die ganze Geschichte rund um Daredevil und, einfach hach. Seit dem Film mit Ben Affleck allerdings mussten wir Fans damit leben, dass die Welt Daredevil für doof und langweilig hielt. Keine Chance, sich zu verteidigen, wenn mal wieder jemand über Matt Murdock herzog (dabei, ganz nebenbei, reißt der Director’s Cut des Films ganz schön was raus).

Netflix zur Rettung

Dann kam unerwartet Netflix, bewies einen Heidenmut, und lieferte eine fantastische erste Staffel ab, die Daredevil über Nacht rehabilitierte  und fast wie nebenbei wirklich alles auf den Punkt brachte: Matty, Foggy, Karen, Stick, Fisk, Urich, und nicht zu vergessen Hell’s Kitchen: Alle waren da, alles war, wie es sein sollte, alles war toll und nichts tat weh. Während Daredevil-Fans weltweit noch im Freudentaumel durch die Welt wanderten, wurde eine zweite Staffel bestätigt. Kurz darauf sickerte durch, dass Matty nun auf seine langstehenden „Frenemies“ Elektra und Punisher treffen würde. Also noch zwei Figuren, die durch ihre Filmfranchises als so gut wie ruiniert galten. Eins muss man Netflix lassen, Angst haben sie keine.

Daredevil nachts

Bild © Netflix

Und jetzt, endlich, eeeendlich ist die zweite Staffel da. Nein, sie ist nicht ganz so perfekt wie die erste Staffel, das Erzähltempo holpert hin und wieder und auch aus Elektra hätte man sicherlich mehr rausholen können. Aber wir wollen hier nicht auf hohem Niveau jammern: Die zweite Staffel ist toll. Anders, ja, aber immer noch eine würdige und vielschichtige Adaption der Comics. Vor allem sind alle Figuren im Prinzip perfekt eingefangen – und mal ehrlich, das ist doch die Hauptsache, oder?

Der Mann ohne Furcht

Wo fangen wir an? Matty. Natürlich Matty. Der Teufel von Hell’s Kitchen läuft wieder zur Hochform auf, und die Serie macht konsequent da weiter, wo sie letztes Jahr aufgehört hat. Indem sie nämlich Matts Rachefeldzüge hinterfragt und auf den Prüfstand stellt. Ist das eigentlich richtig, was Matt da macht? Wozu braucht man noch Polizei und Gesetz, wenn einzelne Personen die Sache selbst in die Hand nehmen und sich über die Entscheidungen von Recht und Ordnung hinwegsetzen? Wo ist die Grenze? Und ist Matt wirklich besser als der Punisher, nur weil er nicht tötet? Wäre es nicht irgendwo sogar konsequenter, wenn er das Böse endgültig aus dem Weg schaffen würde?

Der Punisher

Bild © Netflix

Überhaupt, lasst uns über den Punisher reden. Ich war ja zugegeben bei The Walking Dead nie Bernthals größter Fan, aber seht mich als bekehrt an: Was der gute Mann aus der Figur rausholt, wie differenziert er ihn spielt, wie verletzlich und dann wieder knallhart, das ist schon eine Hausnummer. Großes Lob auch an die Drehbuchautoren, die nicht davor zurückscheuen, Frank Castle so brutal und gewissenlos sein zu lassen wie in den Comics, dabei aber seine menschliche Seite nie vergessen. Mit dem Punisher wird die Zwiespältigkeit der Superhelden auf die Spitze getrieben: Sind sie nun gut oder schlecht? Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel?