Ich war ja am Anfang nicht ganz sicher, ob das funktionieren würde – Harry Potter nur als Theaterstück und nicht wie gewohnt als Buch mit mehreren hundert Seiten. Würde Rowlings liebgewonnene Welt trotzdem funktionieren? Würde der Geschichte trotzdem der altbekannte Zauber (harr, harr) anhaften? Und vor allem: Konnte J.K. Rwoling das überhaupt, sich wieder auf die Geschichte einlassen und uns alte und neue Freunde zurück nach Hause bringen? Die kurze Antwort lautet: Sie kann, auch wenn sie nur die Geschichte geliefert und jemand anders das eigentliche Drehbuch geschrieben hat.
Ein kleiner Schwachpunkt: Die Länge
Dabei ist die Länge und Format der Geschichte das einzige Manko an dem Buch: Es ist zu kurz. Die Welt von Harry Potter wird nun mal zum großen Teil durch die liebevollen Beschreibungen von Hogwarts, Diagon Alley und dem Ministerium für Magie getragen. Von den vielen kleinen und großen Details, die Harry Potters Welt so lebendig und real wirken lassen. Das hauptsächlich in den Dialog und ein paar Bühnenbilder einzubetten, ist schwierig. Harry Potter and the Cursed Child gelingt das zwar erstaunlich gut, aber am Ende des Stücks wünscht man sich irgendwo dennoch, dass man das alles als echtes Buch hätte lesen können. Vermutlich weil es sich dann doch sehr nach Zuhause anfühlt.
Wie ein Klassentreffen
Aber, und das wiederum ist das Tolle an Harry Potter and the Cursed Child: Es ist eine wirklich echte neue Geschichte mit Harry Potter und vielen, vielen alten Bekannten. Wer Bedenken hatte, dass es sich in dem Stück nur um die neue Generation drehen würde, der darf beruhigt sein: Sie sind alle da. Harry, Ron, Hermione, Draco, Ginny, McGonagall, und – Achtung, Spoiler – in Rückblicken sogar der tragischste aller Helden, Severus Snape. Ja, ihr habt richtig gehört.

Aus dem Theaterstück im Londoner West End: Jamie Parker als Harry, Poppy Miller als Ginny und Sam Clemmett als Albus.
Alleine schon wegen dem Wiedersehen mit den alten Helden lohnt sich das Lesen des Buches. Habt ihr denn geglaubt, ihr würdet noch mal ein Buch in euren Händen halten, in dem das Trio, Draco und Ginny nochmal auftauchen würden? Mit tragender Rolle? Habt ihr? Habt ihr? Seht ihr. Das ist für mich schon Grund genug, mit viel Liebe auf Harry Potter and the Cursed Child zu blicken. Wir sind wieder Zuhause. Das Gefühl ist unbezahlbar.
Da weitermachen, wo man aufgehört hat
Davon abgesehen haben mir aber auch noch ganz andere Dinge an dem Stück richtig gut gefallen. Zum Beispiel die wirklich schwierige Beziehung zwischen Harry und seinem zweitältesten Sohn Albus (ja, über den Namen lache ich auch immer noch). Das Stück beginnt nämlich buchstäblich dort, wo der siebte Band im Epilog aufgehört hat – Albus fährt zum ersten Mal nach Hogwarts und hat Angst in Slytherin zu landen. Im Stück geschieht das dann auch tatsächlich, wobei die Gründe dafür nicht ganz klar werden. Macht aber nix, und ist für die Geschichte auch nicht weiter wichtig.
Ein Potter in Slytherin
Während seine Freunde und seine Geschwister also in Gryffindor sind, wird Albus Potter nach Slytherin einsortiert, die ganze Schule tuschelt über ihn, zumal er weder ein besonders guter Schüler noch besonders begabt im Quidditch ist. Albus wird zum mürrischen Einzelgänger, er hasst die Schule und überhaupt sein ganzes Leben. Sein einziger und zugleich bester Freund ist ausgerechnet Scorpius Malfoy, Dracos Sohn.
Der schleppt eine ganz eigene Kiste an Problemen mit sich rum, weil öffentlich gemunkelt wird, dass er über Umwege Voldemorts Sohn sein könnte. Zudem ist seine Mutter schwer krank. Scorpius allerdings trägt sein Schicksal nicht nach draußen, er ist der wohl gutmütigste, aufrichtigste und netteste Junge, der in Hogwarts zu finden ist.
Ein Malfoy für alle Fälle
Das ist das wahre Glanzstück an Harry Potter and the Cursed Child: Nicht Albus Potter, sondern ausgerechnet Draco Malfoys Sohn ist der wahre Sympathieträger des Stückes. Während Albus in Selbstmitleid versinkt und Scorpius in wahnwitzige Abenteuer mit hinein zieht, ist Scorpius stets an seiner Seite und muss sein gutes Herz und seinen Mut mehr als einmal unter Beweis stellen. (Im Ernst, der Junge ist einfach zum Liebhaben.)
Kommentare von Steffi